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Sanierungsstau in Deutschland: Der stille Kollaps der Energieeffizienz
Sanierungsstau in Deutschland: Der stille Kollaps der Energieeffizienz
Deutschlands Immobilien verbluten energetisch – und kaum jemand schaut hin.
Während die Politik ehrgeizige Klimaziele formuliert, verschlechtert sich der Zustand des Gebäudebestands rasant. Mehr als ein Drittel der Wohnimmobilien, die 2024 auf dem Markt sind, haben eine katastrophale Energiebilanz. Sanierung? Für viele Eigentümer inzwischen unbezahlbar.
Dieser Artikel zeigt, warum der Sanierungsstau zum gefährlichen Bremsklotz für die Energiewende wird – und was jetzt passieren muss.
1. Energetischer Rückschritt statt Fortschritt
Deutschland gilt als Vorreiter bei Umwelt- und Klimaschutz. Doch ein Blick in die Keller, Dächer und Heizungsanlagen vieler Wohnhäuser offenbart das Gegenteil. Laut einer aktuellen Analyse von Immowelt besitzen 36,8 Prozent der 2024 angebotenen Bestandsimmobilien eine Energieeffizienzklasse schlechter als E. Vor vier Jahren lag dieser Anteil noch bei 28 Prozent.
Die Entwicklung im Überblick:
Jahr | Anteil Immobilien schlechter als Klasse E |
---|---|
2020 | 28,0 % |
2024 | 36,8 % |
Besonders dramatisch: Einfamilienhäuser schneiden deutlich schlechter ab als Wohnungen. Der energetische Sanierungsstau wächst – und mit ihm die CO₂-Last des Gebäudesektors.
2. Die Hauptgründe für den Sanierungsstillstand
Warum werden trotz offensichtlicher Notwendigkeit so wenige Immobilien saniert? Die Antwort ist vielschichtig – und ernüchternd:
A) Explodierende Sanierungskosten
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Materialpreise für Dämmung, Fenster, Wärmepumpen und Co. steigen weiter.
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Handwerksbetriebe rufen Höchstpreise auf – wenn sie überhaupt verfügbar sind.
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Für viele Eigentümer werden umfassende Sanierungen schlicht unbezahlbar.
B) Fachkräftemangel als Bremsklotz
Die Nachfrage nach qualifizierten Handwerkern übersteigt das Angebot bei Weitem.
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Wartezeiten von 6 bis 12 Monaten für energetische Umbauten sind keine Seltenheit.
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In ländlichen Regionen praktisch keine freien Kapazitäten.
C) Zweifel an der Wirtschaftlichkeit
Energetische Sanierung ist teuer – und nicht immer wirtschaftlich:
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Eigentümer schrecken vor langfristigen Amortisationszeiten zurück.
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Viele Objekte, besonders im ländlichen Raum, verlieren trotz Sanierung an Wert.
D) Unsichere gesetzliche Rahmenbedingungen
Immer neue Vorschriften, halbherzige Förderungen und politische Diskussionen schaffen Unsicherheit.
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Heizungsgesetz, Solarpflicht, Dämmvorgaben – wer blickt da noch durch?
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Eigentümer warten ab, anstatt zu investieren.
3. Der Gebäudesektor – Deutschlands CO₂-Problemkind
Rund 30 Prozent der deutschen CO₂-Emissionen entfallen auf den Gebäudesektor. Und während Industrie und Verkehr Fortschritte machen, verfehlt der Immobilienbereich regelmäßig seine Klimaziele.
Aktuelle Bilanz:
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Ziel 2024: 103 Mio. Tonnen CO₂
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Tatsächliche Emissionen: 112 Mio. Tonnen CO₂ (Schätzung)
Der Grund: Ein wachsender Teil des Gebäudebestands ist schlicht nicht mehr zeitgemäß isoliert, beheizt oder belüftet.
4. Regionale Schieflage: Osten saniert, Westen strauchelt
Die Immowelt-Analyse zeigt massive regionale Unterschiede. Während in einigen westdeutschen Regionen der Sanierungsstau dramatische Ausmaße annimmt, zeigt sich der Osten in erstaunlich gutem Zustand.
Besonders betroffen:
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Holzminden (Niedersachsen): Fast 80 % der Immobilien mit mangelhafter Energiebilanz
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Südwestfalen, Eifel, Teile Bayerns: Sanierungsrate rückläufig, Bestand veraltet
Überraschend gut:
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Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern): Nur 5 % ineffiziente Immobilien
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Jena, Leipzig, Dresden: Profitieren von Sanierungsschüben nach der Wiedervereinigung
Ostdeutschland hat bereits sanieren müssen – der Westen muss jetzt nachziehen.
5. Was Eigentümer jetzt wissen müssen
Wer heute eine Bestandsimmobilie besitzt, sitzt entweder auf einer Klimabombe oder einem Sanierungsschatz. Doch was tun?
Checkliste für Eigentümer:
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Energieausweis prüfen: Liegt der Effizienzgrad bei F oder schlechter? Handlungsbedarf!
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Sanierungskonzept erstellen lassen: Energieberater bieten staatlich geförderte Vor-Ort-Beratungen.
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Fördermittel beantragen: Die KfW, BAFA und Länderprogramme unterstützen – aber nur bei rechtzeitiger Antragstellung.
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Zukunftsstrategie entwickeln: Wärmepumpe, Photovoltaik, Speicher – aber sinnvoll kombiniert!
6. Ohne Politik kein Fortschritt
Die Analyse ist eindeutig – und die Forderungen auch. Es braucht eine entschlossene, staatlich koordinierte Sanierungsoffensive.
Martin Kaßler (VDIV Deutschland) bringt es auf den Punkt:
„Eigentümer benötigen finanzielle Anreize, um Sanierungen umzusetzen. Zudem sind klare gesetzliche Rahmenbedingungen erforderlich, um Planungsunsicherheiten zu vermeiden.“
Was jetzt passieren muss:
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Erhöhung der Sanierungsförderung
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Verlässliche Gesetzgebung statt Chaos
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Zuschüsse für Erstberatung, Planung und Umsetzung
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Sonderabschreibungen für private Vermieter
Nur so lässt sich verhindern, dass Millionen Immobilien zu Energie-Fallen und Wertvernichtern werden.
7. Ausblick: Die Uhr tickt
Die Klimaziele für 2045 sind ambitioniert – doch der Sanierungsstau spricht eine andere Sprache. Wenn sich der Trend der letzten Jahre fortsetzt, bleibt die Klimawende im Gebäudebestand ein Wunschtraum.
Es braucht jetzt:
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Schnelle Entscheidungen
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Mutige Investitionen
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Verlässliche Rahmenbedingungen
Denn eins ist klar: Wer heute nicht saniert, zahlt morgen doppelt.